Best Practices: Sekundäre Zölle & HTS‑Codes in der Trade Compliance

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Sven-Boris Brunner

Hinweis: Dieser Beitrag hat rein informellen Charakter und ersetzt weder steuer- noch rechtsverbindliche Beratung.

1. Sekundäre Zölle – Definition und Abgrenzung

Sekundäre Zölle sind zusätzliche, oberhalb der regulären MFN‑Zollsätze liegende Importabgaben, die auf Grundlage spezieller handelspolitischer Instrumente der USA erhoben werden – etwa Section 301 (unfaire Handelspraktiken), Section 232 (nationale Sicherheit), Section 201 (Safeguards) oder Notstandsmaßnahmen nach dem International Emergency Economic Powers Act (IEEPA).

Während primäre Zollsätze direkt aus der Position im Harmonized Tariff Schedule (HTS) folgen, überlagern Sekundärzölle diese Einreihung. Sie können entweder pauschal auf sämtliche Waren eines Herkunftslands oder gezielt auf bestimmte Produktlisten angewandt werden.

Beispiele:

– Section 301 – China: Zusatzzölle von 7,5 % bis 25 % auf ein breites Spektrum chinesischer Waren (HTS-Unterkapitel 9903.88.xx).

– Section 301 – EU-Großraumflugzeugstreit: 15 % Zusatzzoll auf neue Flugzeuge >30 t aus bestimmten EU-Ländern (HTS 9903.89.05).

– Section 232 – Stahl/Aluminium: 25 % (Stahl) bzw. 10 % (Aluminium) auf Produkte aus zahlreichen Ländern (HTS 9903.80.xx, 9903.81.xx).

Damit gehen Sekundärzölle weit über klassische Sanktions- oder Embargomaßnahmen gegen „Schurkenstaaten“ hinaus.

2. Zweck sekundärer Zölle

Sekundäre Zölle zielen darauf ab, unfaire Subventionen, Marktverzerrungen oder sicherheitspolitische Risiken zu addressieren und zugleich Verhandlungsspielraum für die US-Administration zu schaffen. Sie ergänzen oder verstärken bestehende Sanktionen und sollen Partnerländer zu konsensorientiertem Verhalten motivieren.

3. Anwendung und Umsetzung

Zumeist per Executive Order oder Federal Register Notice publiziert, werden Sekundärzölle als Prozentsatz auf die reguläre Einfuhrabgabe oder als Festbetrag erhoben. Die U.S. Customs and Border Protection (CBP) weist über besondere HTS-Zusatzunterkapitel – beginnend mit 9903 oder 9904 – auf die Pflicht zur Deklaration hin.

4. Globale Auswirkungen

– Höhere Verbraucherpreise: Zusatzzölle verteuern Endprodukte.

– Investitionszurückhaltung: Planungsunsicherheit mindert Kapitalzufluss.

– Handelspolitische Spannungen: Gegenmaßnahmen (Retorsion) anderer Staaten sind möglich.

5. Reale Implikationen für Unternehmen

5.1 Risikoanalyse

– Lieferketten prüfen: Herkunftsländer und indirekte Bezugsquellen identifizieren.

– Exposure bewerten: Schwerpunkt auf Rohstoffe und Vorprodukte.

5.2 Vertragliche Absicherung

– Zollklauseln integrieren: Kostenallokation, Preisgleitklauseln oder Kündigungsrechte regeln.

– Vertragsanpassungsklauseln (Hardship/Change-of-Law) vereinbaren, um bei neuen Zollmaßnahmen rechtssicher nachverhandeln zu können.

– Marktgleitklausel nach WTO‑konformer Methodik aufnehmen, um Preisänderungen infolge schwankender Zollbelastungen automatisch abzubilden.

5.3 Monitoring & Compliance

– Realtime-Updates zu Sanktions- und Zollmaßnahmen.

– Schulungen und interne Richtlinien fortlaufend aktualisieren.

6. Produktklassifizierung mit sekundären HTS‑Codes

1. Primäre HTS‑Codes korrekt halten: Material, Funktion und Zusammensetzung exakt abbilden.

2. Sekundäre HTS‑Codes anwenden

– Section 301 – China: 9903.88.xx

– Section 301 – EU-Luftfahrtstreit: 9903.89.05

– Section 232 – Stahl/Aluminium: 9903.80.xx (Stahl) / 9903.81.xx (Aluminium)

– Section 201 – Safeguards (Solar): 9904.xx.xx

– IEEPA-Reziprozitätszölle (Vietnam/Indien): 9903.01.63

3. Quoten und Ausnahmeanträge dokumentieren: Status jedes Genehmigungsprozesses lückenlos erfassen.

7. Tools, Ressourcen & Expertenunterstützung

– Trade-Compliance-Plattformen für automatische Klassifizierung.

– ICS-Lösungen für Zoll- und Sanktions-Compliance.

– Externe Audits und Workshops zur Risikominimierung.

8. Fazit & Handlungsempfehlungen

1. Regelmäßiges Screening von Federal Register Notices.

2. Automatisierte Risikoberichte etablieren.

3. Verträge flexibel ausgestalten.

4. Know-how durch Schulungen auf dem neuesten Stand halten.

Abschließende Hinweise

Wir unterstützen Sie gerne mit vertiefenden Best-Practice-Workshops und individuellen Schulungen zu sekundären Zöllen und HTS-Codes. Sprechen Sie uns jederzeit an!