Stand: Juli 2025
Wenn US-Zölle innerhalb von Tagen von 10 % auf bis zu 70 % steigen können, Aluminiumlieferungen mit bis zu 200 % Strafzoll belegt werden und Seefrachtraten binnen einer Woche um 30 % fallen, dann wird eines sehr klar: Wer unter DDP (Delivered Duty Paid, Incoterms® 2020) verkauft, trägt heute ein kaum kalkulierbares Risiko.
Was bedeutet DDP eigentlich?
Nach den Incoterms® 2020 bedeutet DDP:
- Der Verkäufer organisiert und bezahlt die komplette Lieferung bis zur benannten Adresse beim Käufer.
- Der Verkäufer erledigt sämtliche Export- und Importformaliäten – inklusive aller Zölle, Steuern und Abgaben im Bestimmungsland.
- Der Verkäufer trägt die Risiken und Kosten für Transport, Verzögerungen, Einfuhr und Freigabe der Ware.
DDP wird gerne gewählt, um dem Kunden maximalen Service zu bieten („Alles inklusive“) – gerade bei Nordamerika-Geschäften, wo die Kunden oft keine Erfahrung mit Importabfertigung haben.
Warum DDP aktuell hochproblematisch ist
1. Eskalierende und unvorhersehbare Zölle
- Präsident Trump kündigte am 4. Juli an, ab sofort täglich bis zu 12 Länder per Brief über neue, länderspezifische Zölle von 10–70 % zu informieren – wirksam ab 1. August.
- Die 90-tägige „Tarifpause“ für China läuft am 9. Juli aus.
- Section 232 auf Aluminium: 50 % Grundzoll, zusätzlich 200 % bei falscher Herkunftsangabe (CSMS #65340246).
- Solche Erhöhungen können über Nacht beschlossen werden und gelten, sobald sie im Federal Register erscheinen – oft ohne Übergangsfrist.
2. Volatile Frachtraten
- Während Zölle steigen, fallen die Containerpreise: Shanghai → Los Angeles aktuell bei ca. 3.180 USD/FEU, ein Rückgang um rund 15 % gegenüber der Vorwoche.
- Das klingt positiv, gleicht aber die unkalkulierbaren Zollkosten nicht aus.
3. Compliance- & Haftungsrisiken
- Bei DDP haftet der Verkäufer für alle Fehler in der Importerklärung.
- Fehlerhafte HTS-Codes, unvollständige Smelt-/Cast-Nachweise (Aluminium), falsche Ursprungsangaben können zu Nachzahlungen, Strafen und Lieferverzögerungen führen.
Spezialsituation im Maschinen- & Anlagenbau
Gerade im Maschinen- und Anlagenbau ist DDP besonders verbreitet:
- Kunden (v. a. in den USA) verlangen Lieferung „frei Haus, verzollt“ inkl. Installation.
- Häufig langfristige Projekte mit „Turnkey“-Charakter und Festpreisangeboten.
- Viele „kostenlose“ Garantielieferungen und Ersatzteillieferungen (später während der Gewährleistung).
Typische Herausforderungen:
- Ersatzteile und Garantielieferungen unter DDP bedeuten, dass der Exporteur auch für diese Positionen weiterhin das volle Zoll- und Steuerrisiko trägt – selbst wenn die Marge hier gegen null geht.
- Im Streitfall erkennt der US-Zoll oft nicht, dass es sich um eine „kostenlose“ Nachlieferung handelt – es zählt der Warenwert, nicht der Rechnungsbetrag.
- Bei Maschinen mit Aluminiumanteilen (Rahmen, Gehäuse, Kühlkörper etc.) können unerwartete Strafzölle anfallen, wenn die „Smelt & Cast“-Herkunft nicht sauber nachgewiesen wird.
Praxisempfehlungen für Exporteure
Vertragsgestaltung
- Tarif- und Steuerklauseln aufnehmen („Sollten Zölle über X % steigen, ist der Käufer verpflichtet, die Mehrkosten zu tragen oder der Preis wird angepasst“).
- Haftungsbegrenzung für unvermeidbare Verzögerungen und Zusatzkosten in den AGB regeln.
- Kunden schriftlich zur Mitwirkung bei Dokumentation (z. B. Smelt-/Cast-Daten) verpflichten.
Alternativen zu DDP prüfen
- DAP (Delivered At Place): Der Verkäufer liefert bis zur Adresse, der Käufer zahlt Einfuhrabgaben – deutlich weniger Risiko.
- CPT (Carriage Paid To) oder FCA (Free Carrier): Noch geringere Verkäuferverantwortung – besonders für Ersatzteile und Garantielieferungen sinnvoll.
- Hybridlösungen: Für Erstlieferung DDP, für Ersatzteile DAP/FCA.
Organisation & Prozesse
- Garantielieferungen sauber dokumentieren: Mit Vermerk auf Lieferscheinen und Zollerklärungen („Wert für Zollzwecke, kostenlos im Rahmen Garantievertrag“).
- Broker schulen und aktiv steuern: Nicht nur Frachtführer mit Abwicklung betrauen – selbst den Prozess kennen und überwachen.
- Datenbanken für Aluminium-Nachweise (Smelt/Cast) und Ursprungszeugnisse führen und aktuell halten.
Monitoring & Intelligence
- Regelmäßig aktuelle Zollsätze und Frachtraten in Preis- und Risikomodelle einfließen lassen.
- „War-Room“-Dashboard mit aktuellen Tarifen, Frachtraten, Red-Sea-Situation und Compliance-Indikatoren nutzen.
Fazit
DDP kann in einem stabilen regulatorischen Umfeld ein gutes Verkaufsargument sein – aber in der jetzigen, volatilen Situation bringt es erhebliche Risiken für Marge und Reputation.
Wer trotzdem DDP anbietet, sollte Verträge sauber absichern, Prozesse professionalisieren und Alternativen für Garantielieferungen und Ersatzteile prüfen.
Haben Sie Ihre DDP-Verträge schon angepasst?
Wie handhaben Sie Garantielieferungen aktuell?
Ich freue mich auf Ihre Fragen, Kommentare und Erfahrungsberichte.