EU verschärft Anti-Dumping-Zölle auf künstliches Graphit – 74,9 Prozent Zoll auf Importe aus China

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Sven-Boris Brunner

Die Europäische Union greift hart durch: Neue Zölle in Höhe von 74,9 Prozent auf künstliches Graphit aus China treffen zentrale Industrien wie Stahlhersteller und den Maschinenbau. Wer jetzt nicht reagiert, riskiert massive Nachzahlungen und Einbußen beim Betriebsergebnis. Was steckt hinter den Maßnahmen? Wen betrifft es wirklich – und wie schützen sich Unternehmen jetzt rechtzeitig vor bösen Überraschungen?

Hintergrund der Maßnahme

Am 20. Juni 2025 hat die Europäische Kommission ihre bestehenden Anti-Dumping-Maßnahmen gegen China auf künstliches Graphit in Blöcken und Zylindern ausgeweitet. Grund: Die Kommission konnte nachweisen, dass chinesische Hersteller Anti-Dumping-Zölle auf Graphitelektrodensysteme (GES) umgangen haben, indem sie statt fertiger GES nun deren Hauptbestandteil – künstliches Graphit – direkt in die EU exportierten. Dort wurde dieser dann zu GES weiterverarbeitet.

Die Konsequenz: Ein Zoll von 74,9 Prozent wird ab sofort auch auf diese Vorprodukte angewandt – sofern sie zur Herstellung von GES verwendet werden.

Besonders betroffene Branchen

1. Stahlindustrie (EAF-Verfahren)

   – GES sind essenziell für das Elektroofenverfahren – ein wachsender Anteil der europäischen Stahlproduktion.
   – Steigende Rohstoffpreise durch Zölle belasten Stahlwerke direkt.

2. Anlagen- und Maschinenbau

   – Produzenten von GES-Bearbeitungsmaschinen sowie Lohnfertiger geraten durch steigende Materialkosten unter Druck.
   – Investitionen in neue Fertigungstechnologien könnten sich verzögern.

3. Graphitverarbeitende Industrien
   – Preissteigerungen bei Blöcken und Zylindern wirken sich auf Weiterverarbeitung aus.
   – Preisgestaltung wird erschwert, Margen sinken.

4. Elektrofahrzeuge und Batterien
   – Keine direkte Betroffenheit: Pulver- und Pastenformen von Graphit – etwa für Li-Ionen-Batterien – sind von den Maßnahmen ausgenommen.

Operative zolltarifliche Einordnung

– Zollsatz: 74,9 Prozent auf den CIF-Wert (Kosten, Versicherung, Fracht bis zur EU-Grenze).
– Rückwirkende Anwendung: Bei fehlerhafter Zolltarifierung kann der Anti-Dumping-Zoll rückwirkend nacherhoben werden – mit unmittelbarem Einfluss auf das Betriebsergebnis.
– Tarifliche Einordnung: Betroffen sind konkret künstliche Graphite in Block- oder Zylinderform, eingereiht unter ex 3801 10 00 15 und 3801 90 00 80, sofern sie zur Herstellung von GES bestimmt sind.
– Rechtsgrundlage: Artikel 5 und 7 der Anti-Dumping-Grundverordnung (EU 2016/1036) bilden die Basis für die Maßnahme und ihre Ausweitung auf vorgelagerte Produkte.

Wirtschaftliche Folgen

– Marktvolumen GES in der EU: rund 128.000 Tonnen pro Jahr
– Marktwert: ca. 500 Mio. Euro
– Beschäftigung bei EU-GES-Produzenten: etwa 1.100 Personen

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

| Prüffeld             | Maßnahme                                      |
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| Zolltarif-Check      | Prüfung und ggf. Korrektur der Warennummer    |
| Dokumentation        | Transparente Nachweise zur Endverwendung      |
| Importverträge       | Preisanpassungen, Pass-on-Klauseln einbauen   |
| Risikomanagement     | Rückwirkungsrisiko analysieren und dokumentieren |
| Kommunikation        | Kunden und Stakeholder frühzeitig informieren |
| Monitoring           | EU-Gesetzgebung und Zollentwicklungen beobachten |

Rechtlicher Hinweis

Dieser Fachbeitrag stellt keine Rechts- oder Steuerberatung dar. Er dient ausschließlich der allgemeinen Information.

Quelle: Europäische Kommission, Directorate-General for Trade and Economic Security, 20. Juni 2025: „Commission fights circumvention of tariffs on imports of graphite electrode systems“