WTO Krise, Zollstrategie und Exportkontrolle – Vollständiger Fachbeitrag

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Sven-Boris Brunner

Weltmarkt ausser Kontrolle

Wie Trumps Handelskrieg die WTO lähmte und was das für Europas Industrie jetzt bedeutet

Zölle, Zertifikate, Risiken – warum Unternehmen im neuen Welthandel dringend umdenken müssen

Noch vor wenigen Jahren galt die Welthandelsorganisation WTO als Garant globaler Stabilität. Ob Maschinenbau, Automobilzulieferung oder Elektronik: Wer exportierte, konnte sich auf verbindliche Regeln verlassen. Handelskonflikte wurden rechtssicher beigelegt, technische Hürden abgefedert, Zollfragen international verhandelt.

Doch diese Ordnung ist ins Wanken geraten – schleichend, aber grundsätzlich. Seit die USA unter Donald Trump gezielt die Berufungsinstanz der WTO blockieren, ist das Rückgrat des Systems gebrochen. Handelsbarrieren nehmen zu, Streitfälle bleiben ohne Entscheidung, und Staaten handeln wieder bilateral – nicht mehr multilateral.

Die Globalisierung, wie wir sie kannten, steht auf dem Spiel. Und mit ihr: die Wettbewerbsfähigkeit Europas.

Die WTO funktioniert nur noch eingeschränkt

Offiziell existiert die WTO noch. Auch die Panelverfahren, also die erste Instanz bei Streitfällen, arbeiten weiter. Doch: Wenn ein Mitgliedsstaat gegen das Urteil Berufung einlegt, endet der Fall de facto ohne Entscheidung. Die Berufungsinstanz ist seit Ende 2019 nicht mehr beschlussfähig, weil die USA alle Richterblockaden fortsetzen.

Was bedeutet das konkret?

– Kein finaler Rechtsschutz mehr für WTO-Mitglieder
– Kein Druckmittel gegen technische Handelshemmnisse
– Kein funktionierendes Korrektiv für Zölle und Subventionen

In dieser Grauzone agieren inzwischen viele grosse Volkswirtschaften weitgehend unkontrolliert.

CCC-Zertifizierung und andere nichttarifare Handelshemmnisse

Ein besonders prominentes Beispiel: Das China Compulsory Certification System, kurz CCC. Wer Maschinen, Fahrzeuge oder elektronische Komponenten nach China exportieren will, braucht diese Zertifizierung. Was als Produktsicherheit verkauft wird, entpuppt sich als effektives Handelshemmnis:

– Die Regeln ändern sich häufig und kurzfristig
– Nur chinesische Labore sind zulässig
– Der Aufwand für Dokumentation und Tests ist hoch
– In vielen Fällen kommt es indirekt zu Technologietransfer

Mehrere WTO-Mitglieder, darunter die EU und Japan, haben sogenannte Specific Trade Concerns gegen das CCC-System erhoben. Doch ohne Berufungsinstanz ist der Druck begrenzt. China reagiert nur minimal oder gar nicht.


Auswirkungen auf Industrie und Unternehmen


Maschinenbau und Industrie
Unternehmen sehen sich zunehmend mit intransparenten Vorschriften und verzögerten Zulassungen konfrontiert. Ein Markteintritt kann sich um Monate verzögern, inklusive sechsstelliger Zusatzkosten pro Produktgruppe. Viele Mittelständler verlagern bereits Entwicklung oder Produktion in Drittländer, um Zertifizierungskosten zu vermeiden.

Automobil- und Zulieferbranche
Ob Strafzölle auf Elektroautos oder Importbarrieren für Batterietechnologien – Zölle sind zur Normalität geworden. Produktionsketten müssen neu gedacht werden, Lokalisierung wird zur strategischen Notwendigkeit. Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Produktnachweise und Compliance entlang der Lieferkette.

Konsumgüter und Logistik
Logistikunternehmen und Händler stehen unter steigendem Druck, korrekt zu deklarieren, Ursprungsnachweise sauber zu führen und bei der Zollklassifizierung keine Fehler zu machen. Der Verwaltungsaufwand steigt, ebenso wie die Sanktionsrisiken.



Zollrechtliche Risiken nehmen deutlich zu


Ein Punkt wird in vielen Geschäftsleitungen bislang unterschätzt: Mit der Renationalisierung des Handels steigt auch das Risiko für Zollnacherhebungen, Bussgelder und Ordnungswidrigkeiten.

Warum?

1. Die grossen Wirtschaften der Welt kämpfen mit hoher Staatsverschuldung – Zölle und Sanktionen werden wieder als Einnahmequelle gesehen.
2. Zollprüfungen nehmen zu, insbesondere bei Ursprungsnachweisen und Warenklassifizierungen.
3. Fehler in Lieferantenerklärungen, fehlende CCC-Zertifikate oder ungenaue Zolltarifierung führen schnell zu Rückforderungen über mehrere Jahre hinweg.

Ein typisches Beispiel: Ein Unternehmen importiert seit Jahren Ware auf Basis einer falschen Ursprungserklärung. Erst im Rahmen einer Betriebsprüfung kommt das ans Licht – die Rückforderung beträgt oft sechsstellige Summen.



Wie Unternehmen jetzt reagieren sollten

Der politische Rahmen verändert sich – und Unternehmen müssen mitziehen, operativ wie strategisch. Wer auf internationale Märkte setzt, sollte jetzt:

– Das eigene Zoll- und Präferenzmanagement auditieren lassen
– Ursprungsnachweise, Klassifizierungen und Zertifikate aktiv überwachen
– Verantwortlichkeiten für Zoll, Aussenwirtschaftsrecht und Zertifizierung klar regeln
– Auf bilateraler Ebene Interessen vertreten, z. B. über Industrieverbände
– Frühzeitig regulatorische Entwicklungen in Drittmärkten monitoren

Doch in der Praxis zeigt sich: Viele Unternehmen – insbesondere Mittelstand und Industriegruppen mit schlanken Strukturen – sind durch die zunehmende Komplexität, die gesetzlichen Anforderungen und die notwendige Tiefe in Ausbildung und IT überfordert.

Zoll- und Exportkontrolle sind heute keine isolierten Nischenfunktionen mehr, sondern integraler Bestandteil der strategischen Supply Chain. Das bedeutet hohe Anforderungen an:

– Fachliche Qualifikation zu Zollrecht, Dual Use, Ursprungsregeln und Handelsabkommen
– Kontinuierliche Weiterbildung
– Investitionen in ERP-Anbindung, Zertifikatsmanagement, Exportkontrollsoftware
– Strukturierte Verantwortung bis hin zur offiziellen Bestellung eines Ausfuhrverantwortlichen und eines

Gesamtverantwortlichen Zoll – oder wie man es in der Praxis nennt: dem Customs Trouble Shooter in Chief

Outsourcing als Win-Win-Modell: Flexibel, rechtssicher, zukunftsfähig

Gerade deshalb lohnt sich für viele Betriebe der Blick nach aussen: Ein Outsourcing der Zoll- und Aussenwirtschaftsfunktionen schafft spürbare Entlastung – rechtlich, operativ und finanziell.

Ein Managed Service Modell, wie wir es anbieten, geht dabei weit über Beratung hinaus:

– Operative Übernahme aller Prozesse von der Sachbearbeitung bis zur Gesamtverantwortung
– Schlanke, rechtssichere Umsetzung mit modernsten Tools
– Skalierbare Strukturen je nach Produkt, Markt und Rechtslage
– Kalkulierbare Kosten ohne zusätzliche Personal- und Schulungsaufwendungen

Das Ziel: Eine echte Win-Win-Situation.

Unternehmen gewinnen Handlungsspielraum zurück, können sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren – und damit weiter an ihrer Transformation arbeiten, strategisch wie technologisch. Gleichzeitig sichern sie sich regulatorisch ab und halten ihr Supply Chain Management budgetorientiert und effizient.

Fazit: Die regelbasierte Globalisierung ist in der Defensive – und Unternehmen brauchen neue Strategien

Die WTO ist nicht tot – aber sie ist blockiert. In der Zwischenzeit entstehen neue Risiken: politisch, operativ und rechtlich.

Zertifizierungen wie CCC, Zölle in den USA oder technische Handelshemmnisse weltweit können schnell zur Stolperfalle werden.

Europa muss seine wirtschaftlichen Interessen aktiver vertreten – und Unternehmen sollten ihre Prozesse und Strukturen jetzt auf Zukunft ausrichten. Wer die eigene Aussenwirtschaftsstrategie nicht absichert, riskiert nicht nur Kosten – sondern langfristige Wettbewerbsnachteile.

Wer heute vorbereitet handelt, operiert morgen sicherer, schneller und erfolgreicher.