Zoll- und Exportkontrollpolitik unter der neuen Bundesregierung Merz/SPD – Chancen und Herausforderungen für die Industrie

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Sven-Boris Brunner

1. Einleitung: Ein Regierungswechsel mit Signalwirkung

Mit dem Amtsantritt der neuen Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und der SPD als Koalitionspartner steht Deutschland vor einem wirtschafts- und handelspolitischen Richtungswechsel. Der Koalitionsvertrag mit dem Titel „Verantwortung für Deutschland“ skizziert umfangreiche Reformen, die direkten Einfluss auf die Außenwirtschaft, den internationalen Handel sowie die Zoll- und Exportkontrollprozesse haben werden.

Besonders bemerkenswert ist die Ernennung von SPD-Chef Lars Klingbeil zum Bundesfinanzminister – ein politischer Schachzug, der ihn zum mächtigsten Minister der neuen Regierung macht. Obwohl Klingbeil bislang wenig Erfahrung in der Finanz- und Wirtschaftspolitik vorweisen kann, übernimmt er damit die Kontrolle über zentrale wirtschaftliche Hebel, darunter auch die Zollverwaltung.

2. Lars Klingbeil als neuer Finanzminister: Politische Weichenstellung mit Symbolcharakter

Der Amtsantritt von Lars Klingbeil wurde von einem symbolischen Moment begleitet: Sein Vorgänger Jörg Kukies überreichte ihm eine blaue Zolljacke – ein deutlicher Hinweis auf die Verantwortung des Finanzministeriums für den Zollbereich. Diese Geste unterstreicht die hohe Bedeutung, die dem Zollwesen in den kommenden Jahren beigemessen wird.

Kanzler Merz hatte bereits in der Vergangenheit im Bundestag mehrfach die Ineffizienzen im BAFA-Antragsverfahren sowie die damit verbundenen Herausforderungen für die deutsche Exportwirtschaft thematisiert. Es ist daher wenig überraschend, dass die Regierung diesem Thema nun auch im Koalitionsvertrag Aufmerksamkeit widmet – wenn auch bislang noch in eher allgemeiner Form.

3. Koalitionsvertrag 2025: Vereinfachung der Exportkontrollprozesse im Fokus

Auch wenn die im Koalitionsvertrag beschriebenen Maßnahmen zur Erleichterung von Außenwirtschafts- und Zollprozessen noch relativ vage formuliert sind, lassen erste politische Signale erkennen, in welche Richtung es gehen soll:

Ausbau von Allgemeinen Genehmigungen und Sammelausfuhrgenehmigungen:
Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Bundesregierung die Nutzung nationaler Allgemeiner Genehmigungen (AGG) sowie Sammelausfuhrgenehmigungen (SAG) ausbauen wird. Für Unternehmen bedeutet das eine erhebliche Vereinfachung von Genehmigungsprozessen und eine schnellere Abwicklung von Exporten – ein wichtiger Beitrag zur Entlastung der deutschen Industrie.

Digitalisierung der Zoll- und Exportprozesse:
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der umfassenden Digitalisierung der Verwaltungsverfahren. Elektronische Antrags- und Genehmigungsverfahren sollen eingeführt oder ausgebaut werden, um Prozesse effizienter und transparenter zu gestalten. Für Unternehmen ergeben sich hier neue Chancen zur Automatisierung und Optimierung ihrer Zollabwicklungen.

Investitionen in Infrastruktur und Lieferketten:
Das geplante Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Infrastrukturinvestitionen wird auch positive Effekte auf die Logistik- und Lieferkettenstrukturen haben. Verbesserte Transportwege und digitale Infrastrukturen können Exportvorgänge erheblich beschleunigen.

4. Stärkere Kontrollen und verschärfte Compliance-Anforderungen

Doch die Kehrseite der Medaille ist nicht zu unterschätzen: Parallel zu den angestrebten Erleichterungen im Genehmigungswesen kündigt die neue Regierung eine Verschärfung der Kontrollen an. Im Koalitionsvertrag wird explizit von einer Intensivierung der Post- und Warensendungenkontrollen gesprochen.

Die in den vergangenen Jahren bereits personell und materiell gestärkten Überwachungsbehörden – wie der Zollfahndungsdienst und das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) – werden weiterhin konsequent gegen materielle und formelle Verstöße gegen das Außenwirtschaftsgesetz (AWG), die Außenwirtschaftsverordnung (AWV) und das Zollrecht vorgehen.

Für Unternehmen ergibt sich daraus ein doppelter Handlungsbedarf: Einerseits gilt es, von den angekündigten Vereinfachungen zu profitieren. Andererseits müssen interne Compliance-Systeme gestärkt werden, um den steigenden Kontrollanforderungen gerecht zu werden und empfindliche Strafen zu vermeiden.

5. Handlungsempfehlungen für die Industrie

Frühzeitige Prozessanalyse und Digitalisierung:
Prüfen Sie, wie Ihre aktuellen Zoll- und Exportkontrollprozesse effizienter gestaltet werden können. Insbesondere die Digitalisierung bietet große Potenziale zur Kostensenkung und Fehlervermeidung.

Compliance-Management stärken:
Angesichts der angekündigten verschärften Kontrollen sollten interne Kontroll- und Compliance-Systeme auf den Prüfstand gestellt und bei Bedarf angepasst werden.

Mitarbeiterschulungen intensivieren:
Die Einführung neuer digitaler Prozesse und verschärfter gesetzlicher Anforderungen erfordert gut geschultes Fachpersonal. Frühzeitige Investitionen in Schulungen sind sinnvoll.

Frühzeitige Beobachtung gesetzlicher Entwicklungen:
Auch wenn viele Maßnahmen noch vage formuliert sind, ist eine enge Beobachtung der Gesetzgebung ratsam. So können Sie auf konkrete Anpassungen schnell reagieren.

Engagement in Wirtschaftsverbänden:
Nutzen Sie die Möglichkeit, Ihre Interessen aktiv in die politische Diskussion einzubringen und sich frühzeitig über Entwicklungen zu informieren.

6. Fazit: Aufbruch zwischen Erleichterung und Kontrolle

Die Bundesregierung Merz/SPD bewegt sich in einem klaren Spannungsfeld: Einerseits soll die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie durch Erleichterungen bei Exportkontrollen und Zollprozessen gestärkt werden. Andererseits soll die nationale Sicherheit durch verschärfte Kontrollmaßnahmen gewährleistet bleiben.

Für die deutsche Industrie bietet diese Entwicklung große Chancen – allerdings nur, wenn Unternehmen frühzeitig die Weichen stellen und sich sowohl technisch als auch organisatorisch optimal auf die neuen Rahmenbedingungen einstellen.

Der internationale Handel bleibt damit auch in Zukunft ein anspruchsvolles Feld, das strategische Planung und konsequente Compliance-Arbeit erfordert.


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